Zwischen Schwärmerei und Schmerz

ASCHAFFENBURG. Das war ein Funkeln und Glitzern, ein sacht wogendes Meer aus kristallklaren Tönen, ein Raunen und Seufzen, ein federleichtes Gespinst aus filigran gewebten, innig verschlungenen Melodien, die lange noch nachhallten in den Köpfen der überglücklichen Zuhörer, die am Samstagabend in der Aschaffenburger Stadthalle »Schumann kennen lernen« durften.

Atemberaubend schön war das Kammerkonzert des Philharmonischen Vereins Aschaffenburg. Dieser hatte wegen der Corona-Pandemie statt eines großen Orchesterauftritts ein kleines Format gewählt und alles richtig gemacht mit der Verpflichtung des Frankfurter Aris Quartetts, der jungen Sopranistin Lisa Wittig aus Trier und des Aschaffenburger Pianisten Johannes Möller, der auch moderierte. Allenfalls stellte sich die Frage, ob nicht doch mehr als 200 Zuhörer in der ausverkauften Stadthalle auch mit Sicherheitsabstand Platz gefunden hätten.


GROSSER ROMANTIKE

Die ausgewählten Werke waren nicht nur für Einsteiger reizvoll, die mehr über den großen Romantiker Robert Schumann (1810 – 1856) erfahren wollten. Auch eingefleischte Schumann-Freunde hatten sicher ihre helle Freude, besonders an der makellosen und wunderbar beseelten Darbietung des berühmten Klavierquintetts in Es-Dur. Am 8. Januar 1843 war es mit Clara Schumann am Klavier im Leipziger Gewandhaus uraufgeführt und begeistert gefeiert worden.

Das Publikum in der Aschaffenburger Stadthalle war so hingerissen, dass sich der mit Trampeln gemischte Applaus anhörte, als wäre der 1000-Sitze-Saal voll besetzt. Ein technisch überragendes, farblich fein austariertes Zusammenspiel mit Pianist Möller hatten die musikalischen »Himmelsstürmer« Anna Katharina Wildermuth (Violine), Noémi Zipperling (Violine), Caspar Vinzens (Viola) und Lukas Sieber (Violoncello) dargeboten. Sie bewiesen, dass sie neben sinfonischer Dichte und sprühender Energie jenen Schwebezustand fern von aller Erdenschwere heraufbeschwören können, der zu den köstlichsten Momenten des Es-Dur-Quintetts gehört. Zum Beispiel der verträumte Dialog zwischen Cello und Bratsche im ersten Satz, eingebettet in weiche, schmeichelnde Klavierarpeggien.

Der Widerstreit der gestalterischen Kräfte, die Schuman selbst »Florestan, der Wilde« und »Eusebius, der Milde« nannte, durchzieht alle vier Sätze. Das »Allegro brillante« beginnt hochfahrend und birgt doch schon eine Ahnung der kommenden Dramatik. Der zu Herzen gehende, immer wieder leidvoll stockende und von lichten Passagen durchbrochene Trauermarsch »In Modo d‘una Marcia« gipfelt in einem aufgewühlten Agitato, dem Angelpunkt der Komposition. Das »Scherzo. Molto vivace« strotzt vor virtuoser Vitalität, besonders in den zwei reizvoll kontrastierenden Trios.

FUGENARTIGES FINALE

Das fugenartigen Finale »Allegro non troppo« steigert sich furios, bevor nach zweimaligem Verzögern der triumphale Schluss als Feuerwerk in Dur explodiert.

Mit klanglicher Poesie hatte der Abend begonnen. Das Aris Quartett lotete das im »Kammermusikjahr« 1841 entstandene Streichquartett in a-Moll liebevoll, und doch mit unbestechlicher Klarheit aus. Schwerelos kam der ausdrucksvolle erste Satz daher, in dem sich das Allegro wie ein freudiges, atemloses Lied entfaltete. Kontraste skizzierten die Musiker im Scherzo: hier schwärmerisches Schwelgen im Tremolo, da eine wilde Jagd über die Saiten. Im Adagio klagte vibrierend das Cello, und die Geigen setzen ein harfenartiges Pizzikato dagegen. Satte Naturromantik-Klänge, die an Brahms erinnerten, entfalteten sich im Schlusssatz »Presto«.

DEN LIEDERN GEWIDMET

Der mittlere Teil des Konzerts war Schumanns Liedern gewidmet. Die junge Sopranistin Lisa Wittig machte ihn zum Genuss, trotz der nicht überall guten Akustik. Wittigs auch in den tiefen Lagen voll und natürlich klingende Stimme eignet sich ausgezeichnet für Schumann-Lieder. Möller am Klavier begleitete sie behutsam, manchmal zurückhaltend. Doch auch er malte die ganze Palette romantischer Empfindungen in zehn ausgewählten Stücken: vom bekannten »Abendlied« (Text Johann Gottfried Kinkel), einem 1851 komponierten Spätwerk, bis zur »Widmung« (Text Friedrich Rückert), Schuberts Liebeslied für die junge Clara aus dem ungemein produktiven »Liederjahr« 1840.

Schön, dass Wittig weniger bekannte Stücke ebenso einstudiert hatte, wie das bezaubernd frische Schwalbenlied von Elisabeth Kulmann. »Schöne Wiege meiner Leiden« nach dem Text von Heinrich Heine stellte den vom Leid zerrissenen und mit dem Leben hadernden Schumann vor, der ebenfalls zu einem »Kennenlern«-Konzert gehört.


Quelle: main-echo.de

Zurück
Zurück

Schumann verdient ein näheres Hinhören

Weiter
Weiter

Verliebt im Dreivierteltakt