Verliebt im Dreivierteltakt

MELANIE POLLINGER | Main-Echo

ASCHAFFENBURG. Nicht nur Johann Strauss Sohn, auch große Komponisten vor und nach dem Walzerkönig nutzten den Dreivierteltakt zur Schilderung höchsten Liebesglücks. Einer illustren Auswahl hat der Philharmonische Verein Aschaffenburg nun beim »Champagner Musicale« am Samstag in der Stadthalle einen glamourösen Abend gewidmet.

Die über 1000 Besucher der 26. Gala der beliebten Konzertreihe waren begeistert von der Mischung aus Wiener Walzer-, Opern- und Operettenmelodien aus zwei Jahrhunderten. Das Programm reichte von Wolfgang Amadeus Mozarts Oper »Così fan tutte« bis zu Irving Berlins Musical »Annie get your Gun« und klang traditionell mit dem »Radetzky-Marsch« von Johann Strauß Vater als letzter Zugabe aus.


WIE PRACHTVOLLE BLUMEN

Das Collegium Musicum unter Leitung von Michael Millard ließ die Kompositionen aus Klassik, Romantik und Belle Époque wie prachtvolle bunte Blumen erblühen. Auch für die Augen gab es ein Fest, das im Auftritt der frisch aus dem Ei geschlüpften kleinen Papagenas und Papagenos bei der Zugabe gipfelte. Die Sopranistin Dorin Rahardja und ihr Partner, der Bariton Michael Dahmen, gaben damit als duettierendes Vogelpärchen in Mozarts »Zauberflöte« eine letzte Kostprobe ihres beeindruckenden Könnens.

Die Kinder und Jugendlichen der Aschaffenburger Tanzschule von Sonja Heeg hatten zuvor viel Beifall für ihre bezaubernden Tänze bekommen: zum verträumten Walzer aus Léo Delibes »Coppélia« und zum Faust-Walzer von Charles Gounod.

Entertainer-Qualitäten entwickelte nicht nur Dahmen als Moderator des Abends. Das Künstlerpaar schauspielerte umso mitreißender, je moderner ihre Arien und Duette wurden. Als Don Giovanni und Zerlina kamen sie sich erstmals näher, sie scheu und er siegesgewiss, beim Abgang heimlich ein Spitzbuben-Auge zeigend.

Dahmen wütete als Graf Almavira aus Mozarts »Hochzeit des Figaro«, schmachtete sich als Pierrot aus »Die tote Stadt« von Erich Korngold sein Sehnen von der Seele. Rahardja ließ ihre aparte, in dunklen wie hellen Facetten gleichermaßen intensiv leuchtende Stimme immer wieder neue Stimmungen zaubern: atemlos-naive Verliebtheit in der »Juwelenarie« von Gounods »Margarethe«, verführerische Laszivität in den Arien der Musetta aus Puccinis »La Bohème« und von Lehárs »Guiditta« sowie den westwärts gerichteten Lebenshunger der Prinzessin Mi in Lehárs »Land des Lächelns«.

In Walzerseligkeit schwelgt die mondäne Welt auch heute noch, nicht nur beim Wiener Opernball, sondern auch in amerikanischen Hochglanz-Produktionen wie Meredith Willsons »Music Man« oder Richard Rodgers’ »Oklahoma«, die in einer Disney’schen Puderzuckerwelt jenseits der tristen Realität angesiedelt sind.

Gut, dass der Filmkünstler Henning Oppermann in seinen Hintergrund-Videos auch Facetten der Morbidität aufschimmern ließ. So wurden zum Strauß-Walzer »Rosen aus dem Süden« Pinguin-Szenen aus der Antarktis gezeigt, um deren Bedrohung jeder weiß. Doku-Szenen vom Treffen des Österreichischen Kaisers Franz-Joseph I. und des Preußen Friedrich Wilhelm II. untermalten den Kaiserwalzer und ließen wohl manchen Zuschauer Parallelen zum Ersten Weltkrieg ziehen.

WERMUTSTROPFEN IM CHAMPAGNER

Nachdenklich stimmte auch das Wissen, dass der von den Nazis nach Amerika geflüchtete jüdische Komponist Paul Abraham, Vater von Glamour-Operetten wie »Märchen im Grand-Hotel« oder »Ball im Savoy« – aus denen Rahardja und Dahmen spritzige Duette sangen - nie die Würdigung erfuhr, die er verdient hätte. Und noch ein Wermutstropfen fiel in den Champagner: die Trauer über Romy Kalb-Gundermann und Alfred Kalb, die vor wenigen Monaten gestorben sind. Sie hatten die Gala einst ins Leben gerufen.

Quelle: main-echo.de


Zurück
Zurück

Zwischen Schwärmerei und Schmerz

Weiter
Weiter

Mit Leib und Seele in Musik versunken