Schumann verdient ein näheres Hinhören

BETTINA KNELLER | Main-Echo

ASCHAFFENBURG. Viel Arbeit liegt hinter Carsten Schumacher und Johannes Möller vom Philharmonischen Verein Aschaffenburg. Erst planten sie vor Corona ein abendfüllendes Programm mit Orchester zum Thema Robert Schumann. Dann mussten sie umplanen und umorganisieren. Jetzt sind beide einfach nur froh, dass es überhaupt ein Konzert am 26. September in der Aschaffenburger Stadthalle mit dem Titel »Schumann kennenlernen« geben wird. Was die Zuhörer erwartet, haben sie unserer Redaktion erzählt.

Wie geht es Ihnen beiden so kurz vor dem Ereignis?

Carsten Schumacher: Wir sind sehr froh, dass wir eine Programmstruktur entwickeln konnten, die das Konzert trotz der Pandemie möglich macht – unter Berücksichtigung der geltenden gesetzlichen Beschränkungen mit allen Sicherheitsvorkehrungen. Wir hatten ursprünglich ein Konzert mit Orchester geplant. Corona hat einen Strich durch diese Planung gemacht. Deshalb haben wir ein attraktives Kammermusikprogramm zusammengestellt. Wir können in der Stadthalle leider nur 200 Gäste empfangen. Die werden allerdings ein außergewöhnliches Konzert erleben.

Was werden Sie spielen?

Johannes Möller: Den Löwenanteil des Programms bestreitet das Aris Quartett aus Frankfurt. Sie spielen das erste Streichquartett von Robert Schumann. und sein Klavierquintett, bei dem ich den Klavierpart übernehme. Zwischen den beiden großen Kammermusikwerken werden zehn Lieder Schumanns mit der Sopranistin Lisa Wittig zu hören sein. Sie hat übrigens ihr Debüt 2011 in Aschaffenburg gegeben. Inzwischen studiert sie in Karlsruhe Operngesang und hat eine interessante Laufbahn vor sich.

Warum haben Sie sich für Schumann entschieden?

Möller: Schumann ist einer der Komponisten der Romantik, der ein näheres Hinhören verdient hat. Seine Musik ist eine hoch differenzierte Sprache der Seele. Viele kennen den Namen Schumann, aber was sein Werk wirklich ausmacht und wie vielschichtig er sich ausgedrückt hat, das wissen nur wenige. Das wollen wir im Konzert zeigen.

Schumacher: Wenn ich Laien frage, welche Werke sie von Schumann kennen, werden oft die »Träumerei« und die Rheinische Sinfonie genannt. Viele unserer Zuhörer kommen zu den »Komponisten kennenlernen«-Konzerten, weil sie Werke erleben können, die sie möglicherweise zuvor noch nicht gehört haben. Durch die Konzentration auf einen Komponisten und die Moderation von Johannes Möller verschaffen wir ihnen einen anderen Zugang. Gibt es Schöneres, als klassische Musik zu hören und nebenbei etwas zu lernen?

Wie lief die Probenarbeit?

Möller: Durch das Kammer- musikformat haben wir kleine Besetzungen. Dadurch war die Probenarbeit gut zu organisieren – auch unter Corona-Bedingungen. Da gab es überhaupt keine Probleme.

Wie ist die Rückmeldung auf das Konzertangebot? Wie reagieren die Klassikfans nach Monaten ohne Konzerte? Stürzen sie sich auf die Karten? Oder ist eher Zurückhaltung zu spüren, weil die Leute Angst haben?

Schumacher: Die Resonanz ist gut. Das Konzertformat »Komponisten kennenlernen« ist bei unserem Publikum bekannt und sehr beliebt. Wir veranstalten das Format bereits zum vierten Mal, so dass wir sicher sind, alle verfügbaren Karten verkaufen zu können. Nach der langen Zeit ohne Konzerterlebnisse sind wir froh, dieses Konzert anbieten zu können. Bei einer kleinen Veranstaltung in privatem Rahmen konnte ich feststellen, wie dankbar unsere Gäste waren, wieder live Musik hören zu können.

Möller: Das Risiko, sich bei einem klassischen Konzert anzustecken, ist vergleichsweise gering. Dazu gibt es seriöse Untersuchungen. Das Publikum gilt als sehr diszipliniert und hält sich normalerweise an Regeln.

Es gab im Lockdown viele klassische Konzerte und Opern auch auf digitalen Kanälen zu sehen. Ist das keine Alternative für Sie gewesen, das ursprüngliche Konzert vielleicht auch digital anzubieten?

Möller: Es ist schön, dass es diese Möglichkeit gibt, auch für die Künstler, die in Kontakt mit ihrem Publikum bleiben können. Aber Online ist eben nicht alles. Denn Musik hat etwas Körperliches. Live sieht man die Musiker arbeiten, sie geben ihr Herzblut und ihre Seele in die Interpretationen. Das kann man nur vor Ort erleben. Ich habe nach dieser kleinen digitalen Revolution ein bisschen Sorge, dass das Digitale das Liveerlebnis verdrängen könnte. Vielleicht gibt es Politiker, die meinen, dass man viel einfacher und günstiger über das Internet streamen kann anstatt ein teures Opernhaus zu unterhalten. Deshalb finde ich es wichtig, dass man überall in Opern- und Konzerthäusern Flagge zeigt und deutlich macht, dass man live spielen will. Die Energie und Konzentration der Ausführenden übertragen sich anders live als digital.

Schumacher: Die Emotionen im Konzertsaal sind auf digitalem Weg nicht erfahrbar. Ich erinnere mich noch heute lebhaft an ein Konzert im Jahr 1979 in Berlin mit Leonard Bernstein. Das sind bleibende Erinnerungen

Bieten Sie in der Corona-Zeit auch Konzerte für Jugendliche an?

Schumacher: Leider konnten in diesem Jahr die »Oper für Kinder« und unser Streicher-Workshop nicht stattfinden. Auch Cinemusic mussten wir absagen. Ich hoffe, dass es im kommenden Jahr einen Impfstoff gegen Corona geben wird, damit wir unsere Konzerte für Jugendliche wieder anbieten können. Wir haben 2019 »Peter und der Wolf« in Hösbach und in der Stadthalle aufgeführt. Alle Veranstaltungen waren ausverkauft. Für die Konzerte in Hösbach hatten wir alle Schulen im Landkreis und in Aschaffenburg eingeladen. Dieses Projekt wollen wir fortsetzen, sobald das möglich ist.

Wie sehen die nächsten Konzerte nach »Schumann kennenlernen« aus? Wie geht es weiter?

Schumacher: Wir müssen schauen, wie sich die Pandemie entwickelt. Für Oktober 2021 haben wir eigentlich das Verdi-Requiem in der Stadthalle geplant. Das wird sich aus heutiger Sicht nicht realisieren lassen. Wir planen daher alternativ einen zweiten Schumann-Abend. Im ersten Teil wird das Klavierwerk von Schumann vorgestellt. Im zweiten Teil werden wir die Stücke nachholen, die wir eigentlich in diesem Jahr mit Orchester spielen wollten; also das Violinkonzert und das Konzertstück für vier Hörner. Für unser Traditionskonzert »Champagner Musicale« im Februar 2021 werden wir ein Programm mit 30 Orchestermusikern entwickeln. Wir wollen dem zarten Pflänzchen klassische Musik trotz schwieriger Zeiten Leben einhauchen und damit auch jungen Musikern in der Region helfen, ihr Können zu zeigen. Glücklicherweise werden wir dabei von unseren Kuratoren und Sponsoren unterstützt.

Gibt es weitere Pläne?

Schumacher: Wir würden gerne einige unserer Konzerte am nächsten Tag erneut aufführen. Eine Matinee würde den Orchestermusikern weitere Spielmöglichkeiten bieten. Und wir planen ein großes Tanzprojekt in der Frankenstolz Arena, das wir aber voraussichtlich in das Jahr 2022 verschieben müssen.

Quelle: main-echo.de

Zurück
Zurück

Beethovens Geburtstag mit Kammermusikmatinee gefeiert

Weiter
Weiter

Zwischen Schwärmerei und Schmerz