Noch nie so etwas Schönes gehört!

Klassik: Philharmonischer Verein Aschaffenburg und Solisten mit gelungener Konzertgala »Camille Saint-Saëns kennenlernen«

Main-Echo | MELANIE POLLINGER

ASCHAFFENBURG. »Himmlisch!« »Einmalige Klangfarben!« »Diese Tiefe!« »Unglaubliche Leichtigkeit!« »Noch nie so etwas Schönes gehört!« Hingerissen und verzaubert von der Musik des großen Franzosen Camille Saint-Saëns haben sich Zuhörer in der Stadthalle gezeigt. Für etliche der 360 Besucher war das Konzert »Camille Saint-Saëns kennenlernen« des Philharmonischen Vereins Aschaffenburg die erste fundierte Begegnung mit dem Komponisten, der hierzulande meist nur mit seiner witzigen Orchestersuite »Karneval der Tiere« bekannt ist.

Dabei hat das musikalische Wunderkind und Mathematik-Genie Saint-Saëns – der am Samstag seinen 187. Geburtstag gefeiert hätte und 83 seiner insgesamt 86 Lebensjahre komponierend an einem Mammutwerk verbrachte – die öffentliche Aufführung des aus einer Faschingslaune heraus entstandenen parodistischen »Karnevals« zeitlebens verboten. Das erzählte Johannes Möller, Moderator der rundum gelungenen Konzertgala mit dem Philharmonischen Orchester Aschaffenburg unter Leitung von Michael Millard und mit dem Solo-Organisten Thomas Höpp aus Mainz und der Erlenbacher Geigensolistin Anne Luisa Kramb.


Dialog Solist(in)/Orchester

Die 2000 geborene Preisträgerin des diesjährigen Deutschen Musikwettbewerbs spielt seit ihrem vierten Lebensjahr Geige – inzwischen auf der fast 300 Jahre alten Stradivari »Paganini« aus dem Privatbesitz der Klingenberger Familie Wiegand. Mit ihrem feinen Spiel, das frei von jeder Kraftmeierei eine erstaunliche Stärke und Tiefe verströmte, zog die bereits international erfolgreiche junge Virtuosin ihre Zuhörer in Bann beim Violinkonzert Nr. 3 in h-Moll. Saint-Saëns hat das 1880 in Hamburg uraufgeführte Werk dem spanischen Geigenvirtuosen Pablo de Sarasate gewidmet.

Dennoch ist das von Klassikfreunden geschätzte Werk kein monologisierendes Bravourstück für Teufelsgeiger. Die Komposition lebt vielmehr vom Dialog zwischen Solist(in) und Orchester. Das Zusammenspiel war von makelloser Harmonie am Samstagabend. Die gut 60 Orchester-Musikerinnen und -Musiker sind handverlesen. Carsten Schumacher, Vorsitzender des Philharmonischen Vereins, meint gar, ihm sei »in Bayern und im Rhein-Main Gebiet keine Stadt in vergleichbarer Größenordnung bekannt, die über ein Sinfonieorchester dieser Qualität verfügt«.


Schwerelos und elegant

Unendlich schwerelos und elegant ließen Kramb und das Orchester das technisch extrem anspruchsvolle Werk wirken. Darin verschmelzen die Stimmen wunderbar miteinander – etwa im liedhaft verträumten zweiten Satz – und bauen an anderer Stelle atemberaubende Kontraste auf. So durfte im lebhaften Finale die Geige sogar streckenweise diabolisch klingen und anschließend wieder himmlisch melodiös. Die Solistin zauberte hauchzarte Triller in den höchsten Lagen, filigrane Läufe über mehrere Oktaven und verwunschene Mehrfachklänge.

Das Publikum dankte mit donnerndem minutenlangem Applaus und lauten Bravorufen. Es wurde mit einem Juwel von Zugabe beglückt: Kramb spielte, wiederum himmlisch, Paul Hindemiths Solosonate für Violine Opus 31 Nr. 2, bekannt unter dem Titel »Es ist so schönes Wetter draußen«.

Ein ebenfalls unvergessliches Erlebnis war die Orgelsinfonie in c-Moll opus 78. Laut Moderator gehört sie zur »Spitze des Eisbergs« im gigantischen und zum Großteil (noch) recht unbekannten Gesamtwerk von Saint-Saëns. Auch Solist Höpp ging äußerst behutsam ans Werk. Und auch in der Orgelsinfonie kam es zu einer inspirierten Verschmelzung von Orchester und Soloinstrument, in diesem Fall eine digitale Gloria Concerto 350 der Kasseler Orgelbaufirma Kisselbach.


Seufzen und Wogen

Die Spannung, die das Orchester im ersten Satz aufbaute, voll mit dem Seufzen und Wogen der Streicher, dem vogelleichten Staunen der Holzbläser und dem durchdringenden Ruf der Blechbläser, fühlte sich an wie unendliche Sehnsucht nach der Königun der Instrumente. Als diese endlich einsetzte, so warm und weich und körperlich spürbar, war das wie ein tiefer Glücksmoment. Nie drängte sich die Orgel in den Vordergrund. Den Pianisten Johannes Möller und Susanne Krumm ließ sie den Vortritt am Klavier zu vier Händen. Und doch hüllte der vibrierende ätherische Klang alles ein. Im dritten Satz, der zur gewaltigen Fuge anschwoll, unterbrochen von eleganten Zwischenspielen, brandete die geballte Leidenschaft der französischen Orgelromantik hoch, in der auch Saint-Saëns eine bedeutende Rolle spielte.

Mit exotischen Schlangenbeschwörer-Klängen in der Bacchanale aus der Oper »Samson und Dalila« hatte das Konzert begonnen, und ähnlich märchenhaft ging es zu Ende. Nach begeistertem Applaus spielte das Orchester als Zugabe die Tondichtung »Danse macabre«. Da durften Knochen rasseln und gespenstisch schräge Klänge Gänsehaut erzeugen, bis der Spuk elegant verhauchte.

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News November 2022

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