Die gen Himmel jauchzt!
Konzert: Für Camille Saint-Saëns' Orgelsinfonie braucht es dieses Instrument – Und so steht an diesem Samstag in der Aschaffenburger Stadthalle eine auf der Bühne
STEFAN REIS | Main-Echo
Ganz hinten im abgedunkelten Saal, da keimt an diesem Freitagmittag das Empfinden auf, in einer Kathedrale zu stehen und von den himmelhochjauchzenden Orgelklängen emporgetragen zu werden. Nur ist dieser Saal kein Kirchschiff, sondern die Aschaffenburger Stadthalle und die Chorapsis tatsächlich die Bühne.
Und trotzdem steht Thomas Höpp in der letzten Saalreihe und nickt in hemdsärmeliger Zufriedenheit zum Orgelspiel. 32 Stunden später – an diesem Samstag gegen 20.45 Uhr – wird der Mainzer Organist im Anzug da vorne auf der Bühne an dieser Orgel Platz nehmen und den zweiten Teil des Konzertabends »Camille Saint-Saëns kennenlernen« des Philharmonischen Vereins Aschaffenburg eröffnen. Thomas Höpp ist hauptberuflich Organist der Dompfarrei Mainz, sein Können wird allenthalben in den höchsten Tönen beschworen – und eben dieser Mann sagt, dass das Spiel auf dieser Orgel in der Aschaffenburger Stadthalle »schon etwas Besonderes ist, so ein Ereignis hat man nicht jeden Tag. Das macht was her!«
Keine Selbstverständlichkeit
Thomas Höpp meint damit die Aufführung der als »Orgelsinfonie« bekannten Sinfonie Nr. 3 c-Moll op. 78 des französischen Komponisten Camille Saint-Saëns, die bei kirchlichen Anlässen nicht oft erwählt und in profanen Sälen noch seltener gespielt wird: Dort scheitert das Vorspiel in aller Regel am geeigneten Instrument. Kein Wunder also, wenn Thomas Höpp im Rückblick sagt, dass auf die Anfrage des Philharmonischen Vereins an ihn nur seine Zusage selbstverständlich gewesen sein konnte.
Dass ein solches Instrument – eine Orgel Gloria Concerto 350 – zum Konzert an diesem Samstagabend in Aschaffenburg erklingen wird, ist Verdienst des umtriebig nach einer solchen Möglichkeit suchenden Vorsitzenden des Philharmonischen Vereins Carsten Schumacher und zu verdanken der Orgelbau-Firma Kisselbach aus Kassel: Dieses Traditionsunternehmen stellt seit etwa 60 Jahren pfeifenlose Kirchenorgeln her, dabei die digital funktionierende Gloria Concerto 350 mit drei Manualen und 50 Registern sowie 33 Orchesterstimmen. Ein solches 180-Kilo-Instrument steht als Leihgabe der Firma auf der Stadthallenbühne, an diesem Freitagvormittag aus Kassel nach Aschaffenburg gebracht von dem Orgelbauer Felix Tille und Kisselbach-Mitarbeiter Rico Hübner. Transport, Aufbau, einstimmen: Die beiden sind – genau wie ihre Kollegen anderer Transporte – ein eingespieltes Team, nach Felix Tilles Einspielen der 1,5 Meter breiten und 1,3 Meter hohen Orgel kommt der mit digitalen Instrumenten und dem Zusammenspiel mit Orchestern durchaus vertraute Thomas Höpp aus dem Saal hoch auf die Bühne und stimmt sich nach kurzem Fachgespräch mit Felix Tille und Rico Hübner nicht minder klanggewaltig auf das Konzert ein. Vier an das Instrument angeschlossene Lautsprecher für die bestmögliche Beschallung des Saals gilt es bis Konzertbeginn an diesem Samstag um 19.30 Uhr noch zu verteilen, Heiner Krebs als technischer Leiter der Stadthalle steht schon während Höpps Probe bereit.
»Wenn, dann gut«, sagt Thomas Höpp über den Anspruch und die Organisation des Konzertveranstalters: Dass ein Verein diesen – auch finanziellen – Aufwand betreibe, sei ihm Sinne der Musik aller Ehren wert. Denn das erlebt der Organist nach eigenem Bekunden immer wieder bei vergleichbaren Veranstaltungen: Bei der Auswahl der Stücke werden die möglichen Orgel-Parte gestrichen, ein Flügel muss dann reichen.
In Aschaffenburg dagegen werden Solist Thomas Höpp und das 63 Musikerinnen und Musiker zählende Philharmonische Orchester gemeinsam und als Einheit spielen: Der Orgelklang wird – wie vom Komponisten ursprünglich gedacht – in den des Orchesters eingebettet und nicht als Solo-Stimme intoniert. Was auch als musikalische Würdigung zu verstehen ist: Denn ganz beiläufig verweist der Organist darauf, dass für ein solches Vorhaben die Qualität des Orchesters ausschlaggebend sei.
Es ist soweit
Nun denn, allein zwölf Stunden haben die Mitglieder des Orchesters an der Klangfarbe dieses Konzerts gearbeitet, das aus zwei sehr unterschiedlichen Kompositionen Camille Saint-Saëns' besteht und doch dem Publikum wie eine erlebbar sein soll; »Pour moi, l´art c´est la forme« (Für mich ist die Form die Kunst) war der ästhetisch gemeinte Wahlspruch des Komponisten – und dieses Motto zu spiegeln ist wiederum Anspruch des Philharmonischen Vereins für dieses Konzert am Vorabend von Saint-Saëns' 187. Geburtstag.
Am Mittwoch kommender Woche bringen Felix Tille und Rico Hübner die Orgel zurück nach Kassel und hin zum nächsten Einsatz: Zwei bis drei Mal pro Monat stellt Kisselbach Orgeln leihweise für nicht-kirchliche Konzerte zur Verfügung. Musikalisch war auch für Thomas Höpp die Sinfonie Nr. 3 c-Moll op. 78 nicht einmalig – aber: Zum ersten Mal überhaupt spielt(e) er dieses Saint-Saëns-Werk in Aschaffenburg öffentlich. Und dieses Erlebnis, sagt der Organist, »ist eine tolle Premiere«.
Alsdenn, es gilt nun nur noch zu hören an diesem Samstagabend in Aschaffenburg! Das Publikum im abgedunkelten Saal der Stadthalle möge sich in den Himmel tragen lassen.
Der 1981 in Esslingen am Neckar geborene Thomas Höpp studierte Kirchenmusik in Mainz und belegte Meisterkurse in Kammermusik und für Orgel. Als Organist der Dompfarrei Mainz ist Thomas Höpp zugleich Stellvertreter des Domorganisten am Hohen Dom zu Mainz. Dazu leitet er die Ingelheimer Kantorei, eine ökumenische Chorgemeinschaft, die ihre liturgische Tätigkeit durch konzertante Auftritte erweitert. 2020 übernahm Thomas Höpp als Elternzeit-Vertretung die Leitung des 140
Sängerinnen zählenden Mädchenchores am Dom und St. Quintin Mainz.
Thomas Höpp ist Dozent für »Historisch-informierte Aufführungspraxis« an
der staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim.
Er unterrichtet Gesang und Dirigieren.
Die aus Erlenbach (Kreis Miltenberg) stammende Anne Luisa Kramb studiert seit 2019 in der Violinklasse an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin. Zuvor studierte sie an der Kronberg Academy und an der Hochschule für Musik Würzburg. Im Sommer 2022 wurde die Violinistin mit dem Preis des Deutschen Musikwettbewerbs in Bonn sowie
den Sonderpreisen der Foundation Hindemith und des Rotary Club Bonn ausgezeichnet. Neben anderen Auszeichnungen war Anne Luisa Kramb 2016 Preisträgerin im Internationalen Menuhin-Wettbewerb in London sowie Erstpreisträgerin im Internationalen Spohr- Wettbewerb in Weimar. Die Geigerin spielt auf einer Violine von Antonio Stradivari (1724), die
ihr aus Privatbesitz zur Verfügung gestellt wird.
Der gebürtige Brite Michael Millard ist seit 34 Jahren Kapellmeister und Studienleiter am Staatstheater Mainz. Für seine langjährige Leitung der Sinfonietta Mainz erhielt er 2016 die Rheingold Plakette in Silber. Millard leitet seit 1998 auch die Opernakademie Bad Orb. Michael Millard dirigiert das Traditionskonzert Champagner Musicale des Philharmonischen Vereins seit dem Jahr 2011. Seit 2020 ist er Chefdirigent des Philharmonischen Orchesters Aschaffenburg. (str)