Eine Sternstunde virtuoser, tief berührender Musik
Von unserem Mitarbeiter HEINZ LINDUSCHKA
GLATTBACH. Beseelte und zutiefst beglückte Menschen gab es am Sonntagmittag im Glattbacher Mühlenforum, die Zuhörer und die Veranstalter, die sich privilegiert fühlen durften und sicher zugleich diejenigen bedauerten, die keine der raren Karten für »Vom Schatten um Licht« mehr bekommen hatten. Das Konzert fand statt im kleinen, aber feinen Kammermusiksaal des Mühlenforums mit der exzellenten Akustik und dem hellen, sachlichen Ambiente, in dem sich die Aufmerksamkeit der 40 Zuhörer, die in Coronazeiten Platz fanden, voll und ganz auf die Musik richten konnte.
Intimer Rahmen
Dieses Konzert hätte auch locker mehr als die zehnfache Zuhörerzahl verdient gehabt, aber natürlich boten der intime Rahmen und die große Nähe des Publikums zu den Musikern einen großen zusätzlichen Reiz. »Jetzt verstehe ich, wie sich Fürsten und Könige vor Jahrhunderten bei Kammerkonzerten in ihren Residenzen gefühlt haben«, sagte eine spürbar beeindruckte Frau beim Hinausgehen, und was man im Mühlenforum eine gute Stunde lang erleben durfte, war tatsächlich eine fürstliche, ja eine königliche Unterhaltung in demokratischen Zeiten.
Es begann mit Sergej Prokofjews berühmter Violinsonate Nr. 1 in f-Moll, 1946 in Moskau uraufgeführt. Julius Asal und Anne Luisa Kramb boten ein Feuerwerk virtuoser, ausdrucksstarker Interpretation und bewiesen, dass sie in den sechs Jahren ihres gemeinsamen Spiels zu einem Duo zusammengewachsen sind, das sich blind versteht und es schafft, solistische Brillanz und harmonisches Zusammenspiel ideal zu einem Klangbild zu vereinen, das keine Wünsche offen lässt. Es begann mit den getragenen, dunklen Tönen des Klaviers, und mit der Antwort der Geige, einer Stradivari von 1724, mit intensiven »Seufzern«, bevor das Duo die berühmte »Friedhofstelle« so bravourös und fast schon programmmusikalisch interpretierte, dass man bei geschlossenen Augen tatsächlich die Düsternis eines Gräberfeldes spürte – eine beeindruckende musikalische Umsetzung der Grabesstille in Stalins Terrorregime spätestens seit den »Säuberungen« Ende der 30er- Jahre. Prokofjew wurde und wird oft eine unkritische Haltung zur Diktatur vorgeworfen – allein diese Stelle beweist, dass dieser Vorwurf sicher fragwürdig ist. Angstattacken konnte man auch aus dem pochenden Ostinato des »Allegro brusco« im zweiten Satz heraushören, zumal in der transparenten und glasklaren Interpretation des Duos, das danach nahtlos in die idyllischen Passagen des stimmungsvollen Notturno wechselte, aber immer spüren ließ, dass das eine Idylle mit Widerhaken ist. Schließlich bündelten Kramb und Asal im »Allegrissimo« - in einer Art hochkomprimierter Coda - noch einmal alle Motive der Sonate in mitreißender Rhythmik.
Was kann nach so einem Werk noch kommen? Im Mühlenforum hörte man die Lösung. Richard Strauß‘ Es-Dur Violinsonate von 1888 hielt dem fast übermächtigen Vergleich stand - mit ganz anderen Mitteln, mit einem geistreich funkelnden Klangbild, das Kramb und Asal mit jugendlich frischer, verblüffend leicht wirkenden Virtuosität trotz aller technischen Anforderungen scheinbar mühelos zelebrierten. Vom düster-geheimnisvollen e-Moll der einleitenden Klaviertöne über Asals kraftvolle Es-Dur-Fanfare im Allegro bis hin zum rauschhaften Finale im rasanten Dialog zwischen Violine und Klavier – Strauß hat in dieser Sonate tatsächlich Breite und Vielfalt sinfonischer Dichtung vorweggenommen. Kramb und Asal lassen diesen »Aufruhr musikalischer Farben« wie in einem brillanten Kaleidoskop so intensiv funkeln, wie man das selten erleben kann. Das Mühlenforum als Ausstellungsraum – hier wurde es in Tönen vorgelebt.
Euphorischer Beifall
Euphorischer minutenlanger Beifall der Zuhörer »zwang« Asal und Kramb zu zwei Zugaben, wobei von »Zwang« nicht die Rede sein kann. Beide verströmten bei ihrem Spiel so viel Spielfreude, dass sie auch den zweiten Satz aus Rachmaninows Zweitem Klavierkonzert in der Bearbeitung für Klavier und Violine zu einem Erlebnis werden ließen, zu einem Geschenk für das begeisterte und tief beeindruckte Publikum.
Quelle: main-echo.de