Zutiefst zerrissene romantische Seele

Mu­sik für die Sport­li­chen un­ter den Klas­sik-Freun­den hat es beim zwei­ten Kon­zert »Schu­mann ken­nen­ler­nen« des Phil­har­mo­ni­schen Ve­r­eins Aschaf­fen­burg in der Stadt­hal­le ge­ge­ben. Welt­klas­se-So­lis­ten mach­ten das Zu­hö­ren den­noch zum Vergnü­gen. Bril­lant setz­ten sie ih­re Parts in der schwe­ren mu­si­ka­li­schen Kost um: 

Anne Luisa Kramb im Violinkonzert in d-Moll und das Quartett German Hornsound im Konzertstück für vier Hörner in F-Dur.

Besucher des ersten Schumann-Kammermusikabends vor einem Jahr erinnerten sich vielleicht mit Wehmut an den atemberaubenden Auftritt des Frankfurter Aris Quartetts, der Trierer Sopranistin Lisa Wittig und des Aschaffenburger Pianisten Johannes Möller. Damals hatten leichter zugängliche Lieder, ein Streichquartett und ein Klavierquintett auf dem Programm gestanden.

 

Weniger bekannte Stücke 

 Am Samstag waren nun keine »Selbstläufer« mehr zu hören, sondern weniger bekannte Stücke des 1810 in Zwickau geborenen und 1856 in Bonn-Endenich gestorbenen Komponisten Robert Schumann. Moderator Johannes Möller gab den gut 350 Zuhörern kurz, aber anschaulich Einblick in die Lebensphasen des großen Romantikers, in denen die drei aufgeführten Werke entstanden waren. 

Zur Einstimmung auf die kommende Herausforderung spielte das Philharmonische Orchester Aschaffenburg unter Leitung von Michael Millard das gefälligste Werk des Abends: »Ouvertüre, Scherzo und Finale opus 52« ist fast eine Sinfonie, nur ein langsamer dritter Satz fehlt. Schumanns »euphorische Lebensphase« (Möller) 1841, ein Jahr nach seiner Heirat mit Clara Wiek, spiegelt sich darin. Einen Himmel voller Geigen beschwor das Orchester in der Ouvertüre herauf. Es malte plastisch den Wechsel zwischen tiefer Verträumtheit und lebhaften Dialogen, bei ausgewogener Gewichtung von Streichern und Bläsern. Scharf gezeichneter Rhythmus verlieh dem Scherzo mit den innigen Liedmelodien Biss. Die an Beethoven erinnernde Leidenschaft im Finale, das wie eine Bachsche Fuge begann, durfte hell aufstrahlen.

Dann das Violinkonzert, das trotz seiner extremen technischen Schwierigkeit keine glamouröse Spielwiese für Teufels-Geiger abgibt. Die 21 Jahre junge Anne Luisa Kramb braucht diese Profilierung ohnehin nicht. Vom ersten, unter die Haut gehend tief und voll klingenden Ton an zog die Solistin ihre Zuhörer in Bann und ließ sie auch nicht mehr los im anstrengenden, an Wiederholungen reichen Schlusssatz. Unbeirrt, mal behutsam, mal energisch, lotete die Virtuosin Schumanns zutiefst zerrissene romantische Seele aus. Donnernder Applaus war der Lohn für Krambs hoch konzentrierte, von jeglicher Blenderei freie und beeindruckend reife Umsetzung von Schumanns letztem und hochkomplexem Orchesterwerk aus dem Jahr 1853. Wer zwischendrin doch mal von Mendelssohn träumte, fand immer wieder zurück in den ruhig und abgeklärt dahinfließenden Strom der kunstvoll verwobenen Töne und geheimnisvoll beredten Klangbilder. 

Nach der Pause war dann doch noch Zeit für Stars. 1849, ein Jahr nach Ausbruch der deutschen Revolution, zurückgezogen auf dem Land, hatte Schumann mit Neuem experimentiert und das - heute nur selten zu hörende - Bravourstück für vier Hörner und großes Orchester geschaffen. German Hornsound spielte sich damit in die Zuhörerherzen. Das Orchester erwies sich auch hier als extrem disziplinierter zuverlässiger Partner, vielleicht manchmal etwas kühl in seiner geschliffenen Perfektion. 

Als die Horn-Magier mit zwei Zugaben - einem Andante von Bruckner und dem Jazzstandard »Besame mucho« - zeigten, dass sie auch noch ganz anders können, flippte das Publikum schier aus vor Begeisterung. Oder war es Dankbarkeit nach all der Anstrengung? 

MELANIE POLLINGER

 

 

Hintergrund: Die Solisten Anne Luisa Kramb und German Hornsound

 Anne Luisa Kramb kam 2000 in Aschaffenburg zur Welt und spielt seit ihrem vierten Lebensjahr Geige. Sie studierte an den Musikhochschulen in Frankfurt, Würzburg und Berlin sowie an der Kronberg Academy im Taunus. Zu ihren zahlreichen ersten internationalen Preisen zählt unter anderem der beim Jehudi-Menuhin-Wettbewerb in London 2016, beim Louis-Spohr-Wettbewerb in Weimar im selben Jahr und bei der Manhattan International Music Competition 2017. Im Herbst 2017 trat Anne Luisa Kramb erstmals in der New Yorker Carnegie Hall und der Philharmonie Kiew auf. Sie spielt eine Violine von Antonio Stradivari aus dem Jahr 1724, die ihr die Klingenberger Familie Wiegand zur Verfügung gestellt hat. 

 

Das Hornquartett German Hornsound besteht aus den Orchestermusikern Sebastian Schorr (Württembergische Philharmonie Reutlingen), Stephan Schottstädt (Niedersächsisches Staatsorchester Hannover), Timo Steininger (Konzerhausorchester Berlin) und Christoph Eß (Bamberger Symphoniker), die sich teils schon als Kinder kannten und befreundet sind. Auslöser für die Quartett-Gründung war Schumanns Konzertstück für vier Hörner. 

Seit 2009 tritt das Ensemble mit neuen Konzertformaten und kreativen Programmen bundesweit auf Musikfestivals auf und spielt mit renommierten Orchestern wie dem Tokyo Symphony Orchestra oder der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen.

 Quelle: main-echo.de

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