Violinistin Kramb verzaubert Publikum
Main-Echo | ALEXANDRA KIESER
ASCHAFFENBURG. »Komponisten kennenlernen« ist nur eine der erfolgreichen Reihen des Philharmonischen Vereins Aschaffenburg. Das diesjährige Konzert in der Aschaffenburger Stadthalle war dem musikalischen Schaffen Sergej Prokofjews gewidmet und sorgte in dem etwa halb vollen Saal für ein eher seltenes, aber umso reizvolleres Klangerlebnis.
Die musikalische Programmauswahl stellte einen gelungenen Überblick über Prokofjews verschiedene Schaffensperioden sowie dessen vier Grundlinien – klassisch, modern, motorisch und lyrisch – dar. Mit der ersten Sinfonie Nr. 1 D-Dur op. 25 des Komponisten, der sogenannten »Sinfonie classique« (1916), eröffnete das 62 Musiker starke und bestens aufgelegte Orchester unter Dirigent Michael Millard den Abend. Komponiert 1916/17, hat sich Prokofjew bei seiner bekanntesten Sinfonie von Haydn und dem jungen Tschaikowsky, und somit auch von Mozart, inspirieren lassen. Das Stück zeigt nicht nur einen »klassischen« Rückblick des Komponisten, sondern setzt sich auch auf teils ironische Art mit den Satz- und Kompositionstechniken früherer Meister auseinander. Im Hinblick auf Prokofjews späteres Schaffen fällt die »Sinfonie classique« recht kurz und knapp aus, was dem humorvoll zugespitzten historischen Rückblick jedoch absolut zugute kommt.
Mit dem anschließenden Violinkonzert Nr. 2 g-Moll op. 63 (1935) hat sich das Philharmonische Orchester die großartige Solistin Anne Luisa Kramb als Partnerin zur Seite geholt. Mit einer russisch anklingenden Solointonation eröffnet Kramb das Konzert und meistert ihren äußerst anspruchsvollen und virtuosen Part schlichtweg bravourös. Das in seinen drei Sätzen sehr kontrastreiche Werk zählt mitunter zu den bedeutendsten Violinkonzerten und die Solistin interpretiert dieses auf höchstem Niveau. Egal, ob lyrische Kantilenen, anspruchsvolle Chromatiken oder tänzerisch-wilde und rasante Tempi, Kramb ist eine Meisterin ihrer Kunst. Aber auch das Orchester erfüllt seine Aufgabe mit Können, Leidenschaft und Esprit. Als Zugabe wählt Kramb Großmeister Bach und verzaubert ihr Publikum abermals mit ihrer innigen Art der Interpretation.
Ganz große Gefühle stehen nach der Pause auf dem Programm. Denn Prokofjew hat das Liebespaar schlechthin zum Thema seines längsten Handlungsballetts gemacht – »Romeo und Julia« op. 64 (1935). Neun aus insgesamt 52 Musiknummern des dreiaktigen Balletts erklingen unter dem feinfühligen und klaren Dirigat Millards. Die Vertonung der tragischen Liebesgeschichte zählt heute, neben »Peter und der Wolf«, zu Prokofjews bekanntesten Kompositionen und gilt als einer seiner musikalischen Höhepunkte. Rhythmisch komplex und harmonisch oft sehr nahe an der Grenze zur Atonalität, zeigt Prokofjew die Bandbreite seines kompositorischen Könnens.
Das Orchester zieht seine Zuhörer regelrecht in den Bann dieser Geschichte und lässt einzelne Bilder der dramatischen Geschichte vor dem inneren Auge aufleben. Nach dem tragischen Ende entlädt sich die Anspannung des Publikums in einem nicht enden wollenden, begeisterten Applaus, bis es nach der Zugabe »Tybalts Tod«, beseelt und zufrieden den Saal verlässt.