Marina Moro-Saura: Die Soloflötistin
Marina Moro-Saura: Die Soloflötistin im Philharmonischen Orchester Aschaffenburg über ihr Instrument und Prokofjew-Kompositionen
STEFAN REIS Main-Echo 04.06.2024
»Freude und Verantwortung verbinden«
ASCHAFFENBURG. »Komponisten kennenlernen« des Philharmonischen Vereins Aschaffenburg hat sich zu einer Traditionsreihe im Kulturleben des Rhein-Main-Gebiets entwickelt. Diesmal steht der russische Komponist Sergej Prokofjew auf dem Programm, beim Konzert am Samstag, 15. Juni, in der Aschaffenburger Stadthalle wird das Philharmonische Orchester Aschaffenburg unter Leitung von Michael Millard mit der Ersten Sinfonie »Symphonie classique« D-Dur op. 25 (1916), dem Violinkonzert Nr. 2 g-Moll op. 63 (1935) – hier mit Solistin Anne Luise Kramb aus Erlenbach (Kreis Miltenberg) an der Violine – und Auszügen aus »Romeo und Julia« op. 64 (1935) zu hören sein. Im Orchester ist Marina Moro-Saura seit vielen Jahren Soloflötistin (Pult 1).
Was machen denn Prokofjew-Kompositionen für Interpreten so interessant?
Sergei Prokofjew war ein großer Komponist, seine Werke sind von höchster Qualität. Darüber hinaus sind seine schönen Melodien, seine hervorragende Orchestrierung, die Verwendung unterschiedlicher und kontrastierender Stile innerhalb derselben Komposition und die Verwendung des Rhythmus auf so relevante Weise – manchmal scheint es wie ein Spiel – Aspekte, die den Interpreten wach halten und faszinieren
Prokofjews Erste Sinfonie ist für die Querflöte gilt für dieses Instrument als musikalische Herausforderung und in einigen Passagen als nahezu unspielbar. Wie gehen Sie mit dieser Herausforderung um?
Wenn man Webseiten findet, die Tipps geben, wie man eine technische Passage eines bestimmten Werks lösen kann, ist klar, dass es für jeden eine technische Herausforderung darstellt. Im Gespräch mit einer Kollegin gestand sie mir, dass einige Profimusiker dafür beten, dass Prokofjews Erste Sinfonie in dieser Saison in ihrem Orchester nicht auf dem Programm steht.
Für das Konzert am 15. Juni in Aschaffenburg habe ich mir viel Zeit zum Üben und zur Vorbereitung genommen. Ich habe mich mit Flötisten-Kollegen beraten, denn in manchen Passagen muss man auf Hilfsgriffe zurückgreifen, weil es vom Tempo her nicht möglich ist, die originelle zu verwenden. Und natürlich habe ich mich durch Aufnahmen und das Lesen der Partitur mit dem Werk vertraut gemacht, um es kennenzulernen und zu genießen.
Gibt es Kompositionen oder musikalische Stile, bei denen Sie sagen, sie sind tatsächlich für die Querflöte nicht geeignet?
Nein, das glaube ich nicht. Obwohl einige Komponisten gefährlich nahe an die Grenzen des Instruments herankommen, vor allem, wenn wir über zeitgenössische Musik sprechen, glaube ich persönlich, dass diese Grenzen oft eher durch den Interpreten, seine Vorstellungskraft und seine Ressourcen definiert werden.
Und welche eignen sich besonders gut?
Barock und Klassizismus eignen sich sehr gut. Außerdem passt sich das Opernrepertoire sehr gut an, da die Flöte sehr gut mit der menschlichen Stimme harmoniert, und das Ballett, wegen des agilen und leichten Charakters dieses Instruments.
Erleben Sie als Musikerin eine Komposition anders als das Publikum?
Das ist eine interessante Frage. Ich besuche viele Konzerte, und ja, im Publikum zu sitzen ist eine andere Erfahrung als auf der Bühne zu stehen.
Aber wenn wir von Musikern und dem allgemeinen Publikum sprechen, gibt es natürlich einen Unterschied. Wir investieren viel Zeit in das Üben und Proben des Repertoires. Während dieser Vorbereitung engagieren wir uns für das Werk, für den Stil und für den Komponisten. Wenn ich ein Stück interpretiere, sind Freude und Verantwortung auf diese Weise miteinander verbunden.
Die Querflöte ist vor allem durch Kompositionen in Renaissance und Barock, später der Klassik und Romantik bekannt. Auch in der Rock-Musik – beispielsweise über Jethro Tulls »Locomotive Breath« – hat die Querflöte eine herausragende Stellung. Mit der musikalischen Epoche zur Zeit Prokofjews wird die Flöte nicht unbedingt verbunden. Woran mag das liegen?
Wenn wir uns auf Solokompositionen konzentrieren, stimmt es, dass im frühen 20. Jahrhundert die großen Konzerte für Klavier oder Streicher komponiert werden, aber die Flöte ist in dieser Zeit nicht weniger relevant. Eines der bekanntesten Kompositionen von Prokofjew ist »Peter und der Wolf«, in dem die Flöte in der Stimme des Vogels eine zentrale Rolle spielt. Seine Sonate in D-Dur, ursprünglich für Flöte und Klavier, ist von solcher Qualität, dass sein enger Freund, der Geiger David Oistrach, ihn bat, sie für Violine zu transkribieren.
Auch im Orchester-Repertoire dieser Epoche wird die Bedeutung dieses Instruments deutlich. Prokofjew verwendet die Flöte, um Julia in seinem Ballett »Romeo und Julia« eine Stimme zu geben. Und Igor Strawinsky, Prokofjews Zeitgenosse und Freund, zögerte nicht, ihr in einigen seiner repräsentativsten Werke eine herausragende Rolle zu geben: »Le Sacre du Printemps« und in den Balletten »Cinderella« und »Petruschka«.
Es gibt unterschiedliche Formen von Querflöten. Welche bevorzugen Sie?
Auf der Welt gibt es eine Vielzahl von Querflötenformen, das chinesische Dizi, das afrikanische Tambin, das indische Bansuri und natürlich unsere moderne europäische Querflöte (oder Böhmflöte), die Nachfolgerin des barocken Traverso. Leider kann ich nur die moderne Querflöte spielen.
Die moderne Querflötenfamilie besteht aus fünf Instrumenten, von höher zu tiefer: die Piccoloflöte, die Querflöte, die Altflöte, die Bassflöte und die Kontrabassflöte. Besonders wohl fühle ich mich mit den Flöten, die ich am besten kenne: Piccolo, Altflöte und Querflöte. Jede hat eine charakteristische Klangfarbe und eine sehr unterschiedliche Funktion innerhalb eines Orchesters oder Ensembles.
Was ist denn an der Querflöte für Sie so spannend?
Die Antwort auf diese Frage hat sich im Laufe der Jahre geändert. Heute würde ich sagen, dass mich an diesem Instrument vor allem seine Vielseitigkeit reizt. Mir persönlich gefallen die Möglichkeiten, die das Instrument bietet, seine verschiedenen Rollen im Orchester und in der Kammermusik, und ich finde die Entwicklung in der zeitgenössischen und modernen Musik sehr interessant. Vor ein paar Jahren habe ich zum Beispiel gelernt, wie man Flöten-Beatboxing macht, das war sehr spannend!
Sie sind Mitglied im Polizeiorchester Rheinland-Pfalz, spielen bei »Komponisten kennenlernen« aber mit dem Philharmonischen Orchester Aschaffenburg. Wie schwierig ist die Eingewöhnung in ein anderes Orchester?
Die Eingewöhnung in ein anderes Orchester ist heutzutage für jeden Profimusiker an der Tagesordnung. Das ist es, was wir seit Beginn unserer Karriere am besten kennen, denn fast niemand bekommt gleich nach dem Studium eine feste Stelle in einem Orchester. Und selbst dann, hat man schon Kontakt mit verschiedenen Jugend- oder Hochschulorchestern gehabt. Manchmal kann der erste Kontakt mit einem neuen Orchester Unsicherheit auslösen, aber es ist eine Gelegenheit, neue Musiker kennenzulernen, und in den meisten Fällen ist es sehr bereichernd. Das hält uns aktiv und flexibel.
Orchestermusik bedeutet hohe körperliche und geistige Fitness. Wie bereiten Sie sich vor?
Definitiv. Allerdings muss man sagen, dass die korrekte Technik eines Instruments dazu dient, effizient zu sein und den körperlichen Verschleiß so gering wie möglich zu halten – aber manchmal vergisst man bei einer dreistündigen Probe um 10 Uhr nachts die ganze Technik, die man gelernt hat ...(lacht). Außerdem ist es sehr wichtig, die Körperhaltung zu trainieren, sich zu dehnen und das Herz-Kreislauf-System zu trainieren, da wir zu viel Zeit in derselben Haltung verbringen. Ich persönlich jogge gerne und praktiziere Yoga. Auf mentaler Ebene hat jeder andere Bedürfnisse, manche Menschen meditieren, andere machen Atemübungen oder Klopfen, manchmal hilft mir ein langer Spaziergang besser.
Zur Person:
Die Spanierin Marina Moro ist Solo-Flötistin des Landespolizeiorchesters Rheinland-Pfalz. Ihren ersten Flötenunterricht erhielt sie im Alter von neun Jahren. Ihr Studium hat sie an der Hochschule für Musik Castilla y León in Spanien und an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt mit einem Master of Arts und einem künstlerischen Bachelor absolviert. Derzeit setzt sie ihre Ausbildung mit einem Postgradual-Studium an der Hochschule für Musik Mannheim fort.
Neben ihrem Studium besuchte sie Meisterkurse.
Seit 2021 ist Marina Moro Solo-Flötistin des Philharmonischen Orchesters Aschaffenburg. Beim Frankfurter Opern- und Museumsorchester, Philharmonischen Staatsorchester Mainz und Nationaltheater-Orchester Mannheim ist sie zudem als Aushilfe tätig. (str)