Gaudi mit Bierhumpen und Lebkuchen

Bierhumpen statt Champagnerkelche, Dirndlkleider statt eleganter Belle-Époque-Roben: Zum 25. Jubiläum seiner Konzertreihe »Champagner Musicale« hat der Philharmonische Verein Aschaffenburg die knapp 300 Zuhörer mit seiner Soirée Francaise am Sonntagabend in der Aschaffenburger Stadthalle etwas verblüfft. Doch eines war wie immer, vielleicht noch ein bisschen schöner: die exzellente Qualität von Orchester und Solisten.

Dirigent im Element  

Dirigent Michael Millard - der den Champagner Musicale nun seit zehn Jahren leitet - war in seinem Element. Der gebürtige Brite und Kapellmeister am Staatstheater Mainz befeuerte das Philharmonische Orchester Aschaffenburg zu Höchstleistungen in einem anregenden Musikprogramm mit mal burlesken, mal diabolisch-schaurigen Glanzpunkten. Als Gesangssolisten traten fünf Nachwuchstalente aus dem Frankfurter Opernstudio auf, die auch schauspielerisch viel zu bieten hatten. Die aus Schweden stammende Moderatorin und Stimmbildnerin Anna Ryberg führte durch den Abend und ließ zumindest in der Fantasie die Champagnerkorken knallen, die wegen Corona in den Flaschen bleiben mussten. Die Gala war heuer ausschließlich französischen Opernkomponisten des 19. Jahrhunderts gewidmet. Dass dabei die deutsche Seele besondere Aufmerksamkeit erfuhr - und nach allen Regeln der Kunst frech bis geistreich zerlegt wurde - lag nicht nur an Jacques Offenbach, der 1819 in Köln geboren wurde und 1880 in Paris starb. Offenbachs Operetten-Einakter »Die Verlobung bei der Laterne« gab es als Schmankerl zum Schluss. Doch davon später. Goethes Mephistopheles, eine der »deutschesten« Fantasiegestalten überhaupt, durfte bei seinem Auftritt diabolisch lachen. Der deutsch-amerikanische Bassbariton Gabriel Rollinson sang Mephistos Arie an Gretchen (die hier Marguerite heißt) »Vous qui faites l'endormie« aus der Oper »Faust« von Charles Gounod (1818 - 1893). Etwas steif, eher wie ein Popanz, kam der Teufel anfangs daher, taute später aber auf in der Arie »Le veau d'or«. Den Tanz ums goldene Kalb malte das Orchester in explodierenden Farben, als brodelnden Hexensabbat mit Fagotten, Pauken und Schlagwerk mittendrin.  

In Weltschmerz schwelgen  

In deutschem Weltschmerz schwelgen konnte - zum Dahinschmelzen schön von der Harfe begleitet - Tenor Carlos Andrés Cárdenas bei der Arie »Pourquoi me réveiller« (warum noch aufwachen?). Der gebürtige Kolumbianer verkörperte den tragischen Titelhelden der ebenfalls von Goethe inspirierten Oper »Werther« von Jules Massenet (1842 - 1912) und eroberte die Publikumsherzen im Sturm. Doch der lyrische Tenor konnte auch lustig und erwies sich als Idealbesetzung des Bauernburschen Peter in Offenbachs Burleske »Die Verlobung bei der Laterne«. Das Publikum staunte nicht schlecht, als die jungen Sängerinnen und Sänger die Bühne zur Bauernwirtschaft umdekorierten, mit Bierhumpen, Brezeln und Lebkuchenherzen. Die Mädchen im Dirndlkleid und die Burschen in Krachledernen: Die polnische Mezzosopranistin Karolina Makula verkörperte das Waisenkind Liese, das am Schluss - schlau eingefädelt vom Postboten Onkel Martin (Rollinson) - den feschen Vormund Peter als Schatz bekommt. Die Streithennen Anne Marie (Mezzosopranistin Marvic Monreal aus Malta) und Catharina (Sopranistin Ekin Su Paker aus der Türkei) haben das Nachsehen.Herrlich anzuhören war die gesungene Balzerei und Balgerei à la bavaroise, die das Orchester zu einem federleichten Hörvergnügen machte. Eine Freude war es auch, dem Orchesterstück »Souvenirs de Munich« zu lauschen, in dem Emmanuel Chabrier (1841 - 1894) Melodien aus Wagners Oper »Tristan und Isolde« persiflierte und mit Bierzelt-Humptata ad absurdum führte. Zu Offenbachs Lebzeiten war das Bayerische wie auch das Fernöstliche Exotik pur. Auch davon gab es reizvolle Kostproben - etwa das »Blumenduett« aus der Oper »Lakmé« von Léo Delibes, zauberhaft gesungen von Ekin Su Paker als Lakmé und Marvic Monreal als Malika. Ein Märchen aus dem Orient erzählt Chabrier in seiner Oper »L'Étoile« (»Der Stern«). Die fein gesponnene Ouvertüre bildete den Auftakt der Soirée, und Makula sang das zu Herzen gehende Lied der Lazuli »O petite étoile«. Die Oper »Mignon« von Charles Ambroise Thomas (1811 - 1896) ist voller Wunder. Rollinson sang daraus die Arie des Lothario »Fugitif et tremblant«. Schön, dass ein Stück aus Chabriers bekannterer Oper »König wider Willen« auf dem Jubiläumsprogramm stand. Das Orchester machte aus »Fête polonaise« ein wahres Fest für die Ohren. MELANIE POLLINGER

 Quelle: main-echo.de

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